Im Gesundheitswesen wird oft über Technik, Personalnot und Ethik gesprochen – doch selten über Mut. Noch seltener über Menschen, die trotz persönlicher Risiken das Richtige tun. Die Geschichte von Pernille Kurzmann Lunden ist eine solche Geschichte. Sie ist keine Prominente, keine Aktivistin, sondern eine ganz gewöhnliche Krankenschwester – und genau das macht ihren Schritt so außergewöhnlich.
Der Beginn einer ungewöhnlichen Beobachtung
Im Jahr 2014 begann Pernille Kurzmann, damals noch unter ihrem Mädchennamen Larsen, ihre Arbeit am Nykøbing Falster Krankenhaus in Dänemark. Sie war frisch examiniert, motiviert und voller Respekt vor dem System, in das sie nun eintrat. Die Realität im Klinikalltag war jedoch härter, als sie es sich vorgestellt hatte. Besonders auffällig waren die Nachtschichten, in denen ungewöhnlich viele Patienten auf der Intensivstation in kritische Zustände gerieten – und das immer wieder, unter den gleichen Umständen.
Es war nicht nur eine Ahnung, sondern das Muster, das sie beunruhigte. Die betroffenen Patienten hatten vor ihren plötzlichen Verschlechterungen keine schwerwiegenden gesundheitlichen Anzeichen gezeigt. Die Unregelmäßigkeiten traten fast ausschließlich während der Nachtdienste ihrer Kollegin Christina Aistrup Hansen auf – einer sehr erfahrenen und von vielen geschätzten Krankenschwester.
Intuition wird zur Sorge
Pernille Kurzmann Lunden begann, ihren eigenen Beobachtungen zu misstrauen. Sie war neu im Team, hatte keine Autorität und wollte nicht voreilig urteilen. Doch mit jeder Woche häuften sich die Vorfälle. Patienten mit stabilen Werten erlitten plötzlich Atemstillstände, Herzrhythmusstörungen oder mussten notfallmäßig reanimiert werden. Es waren keine Einzelfälle mehr. Pernille dokumentierte erste kleine Hinweise für sich selbst – ohne zu wissen, wohin das führen würde.
Es war ihr Verantwortungsgefühl gegenüber den Patienten, das sie wachsam machte. Als Pflegekraft war sie darin geschult, Veränderungen zu bemerken – und sie bemerkte sie. Doch was sie nicht wusste: Sie stand am Anfang eines der aufsehenerregendsten Kriminalfälle der jüngeren dänischen Geschichte.
Ein Gespräch verändert alles
Ein Schlüsselmoment war das Gespräch mit dem Arzt Niels Lunden, der später ihr Ehemann wurde. Er war ebenfalls in der Klinik tätig und ernsthaft beunruhigt über das, was Pernille ihm schilderte. Gemeinsam analysierten sie die Abläufe, verglichen Dienstpläne mit Zwischenfällen und prüften Patientenakten. Die Beweise waren nicht eindeutig – aber sie waren beunruhigend genug, um weiterzugehen.
Pernille entschied sich, das Krankenhausmanagement und schließlich auch die Behörden zu informieren. Sie wusste, dass sie sich damit nicht nur beruflich isolieren, sondern auch persönlichen Druck aussetzen würde. Doch sie konnte nicht länger schweigen. Der Fall wurde offiziell aufgenommen, und eine intensive Untersuchung begann.
Der Fall Christina Aistrup Hansen
Was die Ermittlungen zutage förderten, erschütterte das Vertrauen in das Gesundheitssystem. Christina Aistrup Hansen wurde 2015 verhaftet und später wegen versuchten Mordes an mehreren Patienten angeklagt. Im Gerichtsprozess kamen Hinweise darauf, dass sie Patienten Medikamente wie Morphin, Stesolid (Diazepam) und andere starke Beruhigungsmittel in gefährlichen Dosen verabreicht hatte – ohne medizinische Notwendigkeit.
Die Motivation der Täterin? Laut Gutachtern und Medienberichten handelte es sich um eine narzisstisch-histrionische Persönlichkeitsstörung. Hansen wollte als Heldin erscheinen – als Retterin in der Not –, die durch selbst verursachte Krisen Aufmerksamkeit und Anerkennung gewann. Die Tragik: Es waren echte Menschenleben, die sie dafür aufs Spiel setzte.
Im Jahr 2016 wurde Christina Hansen zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil wurde später reduziert, weil der Vorsatz schwerer nachzuweisen war, doch sie verlor dauerhaft ihre Zulassung als Pflegekraft. Aktuell verbüßt sie ihre Haftstrafe.
Isolation und innerer Widerstand
Während der Prozess international Aufmerksamkeit bekam, blieb das persönliche Umfeld für Pernille Kurzmann Lunden eine große Herausforderung. Viele Kolleginnen und Kollegen reagierten mit Distanz, manche sogar mit Feindseligkeit. Es war leichter, zu schweigen, als sich offen an die Seite derjenigen zu stellen, die das System kritisiert hatte.
Pernille jedoch blieb – trotz Anfeindungen. Sie wechselte nicht den Arbeitsplatz, sondern entschied sich bewusst, weiterhin am selben Krankenhaus tätig zu sein. Ein stilles, aber deutliches Zeichen dafür, dass ihr Handeln nicht aus Rache oder Ego resultierte, sondern aus Verantwortung.
Die Netflix-Serie „The Nurse“
Die wahre Geschichte von Pernille Kurzmann Lunden wurde 2023 durch die Netflix-Serie „The Nurse“ international bekannt. In der Hauptrolle spielt Fanny Louise Bernth die Figur der Pernille. Die Serie basiert auf wahren Begebenheiten, weicht jedoch an einigen Stellen dramaturgisch vom Original ab. Dennoch vermittelt sie eindrücklich den emotionalen Druck, unter dem Pflegekräfte stehen, wenn sie Missstände erkennen – und das persönliche Risiko, wenn sie den Mut aufbringen, diese anzuzeigen.
Für viele Zuschauer war die Serie der erste Kontakt mit der realen Figur der Pernille Kurzmann Lunden. Sie wurde nicht als Heldin inszeniert, sondern als Mensch, der in einem ethischen Dilemma das Richtige tat – obwohl es das Schwerste war.
Leben nach dem Skandal
Nach dem Prozess heiratete Pernille ihren Kollegen Niels Lunden. Das Paar hat mittlerweile Kinder und lebt in Süd-Dänemark. Während Niels das Krankenhaus verließ, blieb Pernille ihrer Arbeit treu. Sie spricht öffentlich nur selten über die Ereignisse – und wenn, dann mit Bedacht und Zurückhaltung.
Ihre Geschichte wurde mehrfach journalistisch aufgearbeitet, unter anderem in dänischen Medien, Fachartikeln und investigativen Formaten. Dabei wird sie stets als ruhige, reflektierte und entschlossene Frau beschrieben, deren Mut nicht laut, aber dafür umso nachhaltiger war.
Die Bedeutung ihres Handelns
Was Pernille Kurzmann Lunden getan hat, ist weit mehr als die Anzeige eines Missstands. Es ist ein Lehrstück in Ethik, Integrität und persönlichem Mut. In einem Berufsfeld, das von Vertrauen lebt, ist es besonders schwer, gegen Kolleginnen oder Vorgesetzte aufzustehen. Die Konsequenzen sind unvorhersehbar, der persönliche Preis oft hoch.
Und doch ist genau das notwendig. Ohne Menschen wie Pernille würden viele Systeme weiter funktionieren – aber nicht im Sinne der Patienten, sondern im Sinne der Bequemlichkeit und des Schweigens. Sie hat uns daran erinnert, dass Pflege nicht nur Fürsorge bedeutet, sondern auch Verantwortung – für das, was man sieht und weiß.
Leise Stärke, die nachwirkt
Pernille Kurzmann Lunden wollte nie berühmt werden. Ihre Geschichte zeigt, dass wahre Zivilcourage oft nicht mit Applaus belohnt wird, sondern mit Einsamkeit, Misstrauen und öffentlicher Skepsis. Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist sie ein Vorbild.
Sie hat sich nicht über das System gestellt, sondern dessen Prinzipien ernst genommen: Leben zu schützen, Risiken zu melden und ethisch zu handeln. In einer Zeit, in der Vertrauen in Institutionen zunehmend erodiert, braucht es solche Stimmen.
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Ein Name, der für Mut steht
Wenn wir heute den Namen Pernille Kurzmann Lunden hören, sollten wir ihn nicht nur mit dem Skandal am Nykøbing Falster Krankenhaus verbinden. Sondern mit dem Mut, den sie gezeigt hat – als junge Frau, als Pflegekraft, als Mensch.
Sie hat uns gezeigt, dass man auch ohne Lautstärke Großes bewirken kann. Und dass man selbst im Schatten der Angst für das Richtige einstehen kann – selbst dann, wenn man alleine steht.
FAQs
1. Wer ist Pernille Kurzmann Lunden?
Pernille Kurzmann Lunden ist eine dänische Krankenschwester, die eine zentrale Rolle bei der Aufdeckung eines Kriminalfalls am Nykøbing Falster Krankenhaus spielte. Sie meldete auffällige Todesfälle, die später zur Verurteilung ihrer Kollegin führten.
2. Warum gilt sie als Whistleblowerin?
Weil sie – trotz persönlicher Risiken – den Verdacht äußerte, dass ihre Kollegin Patienten bewusst schadete. Ihr Handeln brachte die Ermittlungen in Gang, obwohl sie im beruflichen Umfeld viel Gegenwind erhielt.
3. Was ist heute aus ihr geworden?
Pernille lebt mit ihrem Mann Dr. Niels Lunden in Süd-Dänemark, hat Kinder und arbeitet weiterhin als Pflegekraft – am selben Krankenhaus, in dem alles begann.
4. Ist die Netflix-Serie „The Nurse“ wahrheitsgetreu?
Die Serie basiert auf wahren Begebenheiten, erlaubt sich aber dramaturgische Freiheiten. Der Kern der Geschichte – ihr Mut und die Aufdeckung des Falls – entspricht der Realität.
5. Warum ist ihre Geschichte so bedeutend?
Weil sie zeigt, wie wichtig Zivilcourage im Gesundheitswesen ist. Ihr Mut hat Leben gerettet – und ein System zum Umdenken gebracht.
