Donnerstag, August 21, 2025
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Was steckt hinter Karl Lauterbachs Rettungsdienst-Reform?

Die Notfallversorgung in Deutschland steht seit Jahren unter massivem Druck. Immer mehr Menschen rufen die 112 an, viele davon in Fällen, die medizinisch gar keinen echten Notfall darstellen. Gleichzeitig fehlen an vielen Orten qualifizierte Kräfte, und Krankenhäuser stoßen bei der Aufnahme an ihre Belastungsgrenzen. Notaufnahmen sind überfüllt, Wartezeiten lang – und für Rettungskräfte bedeutet das zusätzlichen Stress. Genau hier setzt Karl Lauterbachs Reform des Rettungsdienstes an. Sie soll nicht nur das System entlasten, sondern auch strukturell neu aufstellen und zukunftsfähig machen.

Warum der Rettungsdienst reformiert werden muss

Der deutsche Rettungsdienst ist ein Flickenteppich. Es gibt rund 300 Rettungsdienstbereiche mit jeweils eigenen Regelungen, Zuständigkeiten und technischen Standards. Dazu kommen mehr als 200 Leitstellen, die regional unabhängig voneinander arbeiten. Diese Zersplitterung führt zu Ineffizienz und Doppelstrukturen – und im Ernstfall zu Zeitverlust. Oft werden Patient:innen unnötigerweise in Krankenhäuser gefahren, weil es sich finanziell für die Träger nicht lohnt, sie vor Ort zu behandeln. Denn bisher wird der Rettungsdienst hauptsächlich nur dann vergütet, wenn ein Transport erfolgt. Das führt zu Fehlanreizen – mit Folgen für das gesamte Gesundheitssystem.

Die Ziele der Reform

Karl Lauterbach verfolgt mit seiner Reform das Ziel, den Rettungsdienst umfassend neu zu strukturieren. Die Reform soll dabei nicht nur akute Probleme lösen, sondern auch die Grundlagen für ein modernes, vernetztes Notfallsystem schaffen. Dazu gehört die Digitalisierung ebenso wie die Entlastung der Notaufnahmen. Das Herzstück der Reform: Patient:innen sollen künftig schneller an die richtige Stelle gelangen – egal, ob sie medizinisch sofortige Hilfe brauchen oder besser in einer ambulanten Einrichtung aufgehoben wären.

Einheitliche Leitstellen statt föderaler Flickenteppich

Ein zentrales Element der Reform ist die Vereinheitlichung der Leitstellen. Statt über 200 einzelner Notrufzentralen soll es künftig pro eine Million Einwohner nur noch eine moderne Leitstelle geben. Diese sollen sowohl für Notrufe (112) als auch für den ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117) zuständig sein. Ziel ist eine gemeinsame Triage, also die Ersteinschätzung, durch die Patient:innen zielgenau weitervermittelt werden. So sollen echte Notfälle schneller behandelt und Bagatellfälle angemessen versorgt werden. Das System soll effizienter, schneller und transparenter werden – eine grundlegende Veränderung im bisherigen Ablauf.

Integrierte Notfallzentren in den Kliniken

Neben den Leitstellen plant Lauterbach die Einführung sogenannter Integrierter Notfallzentren (INZ) direkt an Krankenhäusern. Dort sollen künftig sowohl Notaufnahmen als auch ambulante Bereitschaftspraxen gemeinsam arbeiten. Für Patient:innen bedeutet das: Statt unkoordiniert in die Klinik zu fahren, erhalten sie eine gezielte Zuweisung in das richtige Versorgungssystem. Die Zentren sollen rund um die Uhr geöffnet sein, interprofessionell besetzt und mit digitaler Unterstützung arbeiten. Besonders wichtig dabei ist die enge Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, um Versorgungslücken zu schließen.

Rettungskräfte sollen mehr dürfen – und leisten

Ein weiteres zentrales Element der Reform ist die Ausweitung der Befugnisse von Notfallsanitätern. Sie sollen künftig mehr medizinische Verantwortung übernehmen dürfen – zum Beispiel Medikamente verabreichen, Infusionen legen oder kleinere Eingriffe durchführen. In vielen Fällen könnten sie dann eine Behandlung vor Ort durchführen, ohne dass zwingend ein Notarzt gerufen oder ein Kliniktransport nötig wäre. Das entlastet nicht nur Notaufnahmen, sondern auch die ärztliche Notfallversorgung. Gleichzeitig betont Lauterbach, dass dafür neue Ausbildungswege und höhere Qualifikationsstufen geschaffen werden müssen.

Telemedizin als Teil der Lösung

Moderne Technologien wie Telemedizin sollen helfen, Kapazitäten besser zu verteilen. So sollen Notfallsanitäter künftig per Live-Schalte mit Telenotärzten Rücksprache halten können, um bei schwierigen Fällen Entscheidungen abzusichern. Ebenso geplant ist eine digitale Plattform, auf der Rettungskräfte in Echtzeit sehen können, welche Kliniken aktuell freie Kapazitäten haben. Dadurch sollen unnötige Transporte und Rückweisungen reduziert werden. Die Reform setzt damit klar auf Vernetzung und smarte Lösungen – und macht den Rettungsdienst zu einem modernen Bestandteil des Gesundheitssystems.

Reformfinanzierung: Neue Vergütungsmodelle für mehr Effizienz

Die bisherige Vergütung des Rettungsdienstes ist stark auf den eigentlichen Transport ausgerichtet. Wer einen Einsatz fährt, aber keinen Patienten transportiert, steht oft finanziell schlechter da – selbst wenn er medizinisch korrekt gehandelt hat. Dieses System soll überarbeitet werden. Künftig sollen Rettungsdienste für ihre Einsatzbereitschaft vergütet werden („Vorhaltevergütung“), zusätzlich zur eigentlichen Leistung. Das sorgt für fairere Bedingungen, bessere Planbarkeit und ermöglicht neue Versorgungsmodelle. Auch die Zusammenarbeit mit Krankenkassen soll effizienter gestaltet werden, um bürokratische Hürden abzubauen.

Erste Hilfe neu gedacht: Laien aktivieren

Ein spannender Teil der Reform betrifft auch die Laienhilfe. Erste Hilfe soll wieder einen höheren Stellenwert bekommen – etwa durch verpflichtende Schulungen in Schulen, Unternehmen oder Vereinen. Zudem sollen öffentlich zugängliche Defibrillatoren flächendeckend ausgebaut werden. Eine spezielle App könnte künftig registrierte Ersthelfer in der Nähe alarmieren, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken. Lauterbach setzt damit auf die Eigenverantwortung der Gesellschaft – und auf die Erkenntnis, dass schnelle Hilfe oft schon vor dem Eintreffen des Rettungswagens entscheidend sein kann.

Kritik an der Reform bleibt nicht aus

Trotz vieler positiver Rückmeldungen gibt es auch deutliche Kritik. Einige Länder sehen die geplante Zentralisierung der Leitstellen als Eingriff in ihre föderalen Kompetenzen. Auch Rettungsdienstträger äußern Bedenken, etwa hinsichtlich der erweiterten Aufgaben für Notfallsanitäter. Sie warnen vor Überforderung und fordern eine klare Definition von Zuständigkeiten. Auch die Frage nach ausreichender Finanzierung bleibt offen – besonders in ländlichen Regionen, wo zusätzliche Wege und Personal für neue Strukturen notwendig wären. Ob die Reform überall umsetzbar ist, hängt letztlich auch von der politischen Bereitschaft auf Landesebene ab.

Verbindung zur Krankenhausreform

Die Reform des Rettungsdienstes steht nicht für sich allein. Sie ist eng verknüpft mit Lauterbachs geplanter Krankenhausreform, die ebenfalls auf eine stärkere Zentralisierung und Spezialisierung der Kliniken zielt. In beiden Fällen soll die Notfallversorgung gestärkt und neu geordnet werden. Doch Kritiker warnen: Wenn durch Klinikschließungen Rettungswege länger werden, nützt auch ein effizienterer Rettungsdienst nur begrenzt. Daher wird es entscheidend sein, beide Reformen im Gleichklang umzusetzen – sonst könnten sie sich gegenseitig schwächen.

Was sich für Patient:innen ändern könnte

Für Bürgerinnen und Bürger dürfte sich durch die Reform vor allem die Qualität der Erstversorgung verbessern. Wer künftig die 112 oder 116 117 wählt, wird präziser eingestuft und direkt an die richtige Stelle vermittelt. Lange Wartezeiten in der Notaufnahme könnten dadurch reduziert werden. Auch die Versorgung auf dem Land könnte durch mobile Einheiten, Telenotärzte und ausgedehnte Sanitäterbefugnisse verbessert werden. Das Ziel: Weniger unnötige Klinikaufenthalte, mehr zielgerichtete Hilfe – und das möglichst schnell.

Perspektiven für Rettungskräfte und medizinisches Personal

Rettungskräfte werden durch die Reform stärker eingebunden und aufgewertet. Ihre Rolle wird nicht nur medizinisch anspruchsvoller, sondern auch gesellschaftlich sichtbarer. Gleichzeitig bringt das auch Herausforderungen mit sich: mehr Verantwortung, komplexere Einsätze, neue Anforderungen an Aus- und Weiterbildung. Damit die Reform gelingt, müssen Länder und Träger in Personal, Ausstattung und Fortbildung investieren. Andernfalls droht die Reform auf dem Rücken der Einsatzkräfte ausgetragen zu werden – ein Risiko, das viele in der Branche deutlich ansprechen.

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Fazit: Ein Reformversuch mit Potenzial – und offenen Fragen

Karl Lauterbachs Rettungsdienst-Reform ist mutig, durchdacht und in vielen Punkten überfällig. Sie greift strukturelle Probleme auf, setzt auf Digitalisierung, bessere Steuerung und mehr Verantwortung für qualifiziertes Personal. Doch wie bei vielen großen Reformen gilt auch hier: Die Umsetzung entscheidet über den Erfolg. Ohne ausreichende Finanzierung, politische Rückendeckung und Kooperationsbereitschaft der Länder bleibt vieles Theorie. Dennoch: Der Ansatz ist richtig – und könnte den Weg in ein moderneres, menschlicheres Notfallsystem ebnen.

FAQs

1. Was ist das Ziel der Rettungsdienst-Reform?

Die Reform soll die Notfallversorgung effizienter, schneller und patientenfreundlicher machen. Leitstellen werden zentralisiert, Rettungskräfte besser eingebunden und moderne Technik soll helfen, richtige Entscheidungen früher zu treffen.

2. Wer profitiert von der Reform?

Sowohl Patient:innen als auch Rettungskräfte. Patienten bekommen schneller die passende Hilfe, und Sanitäter erhalten mehr Verantwortung und neue Möglichkeiten, vor Ort zu behandeln.

3. Werden durch die Reform Kliniken geschlossen?

Die Rettungsdienst-Reform selbst schließt keine Kliniken, sie ist aber eng mit der Krankenhausreform verbunden. Dort könnten kleinere Einrichtungen umgewandelt oder spezialisiert werden.

4. Wie wird sich der Notruf 112 verändern?

In Zukunft sollen Anrufe über 112 und 116 117 in gemeinsamen Leitstellen landen. So kann schneller entschieden werden, ob ein Rettungswagen nötig ist oder ein Arztbesuch reicht.

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